online am 31. Juli 2023

Der Rolf und die sieben Greislein

Eine Geschichte über ein sehr kleines Altenheim,
die sieben Altenheimbewohner
und den Kleinkriminellen Rolf,
der sich als Altenpfleger ausgibt
um in das Altenheim einzudringen.

Der Rolf und die sieben GReislein
von Bruder Jochen-Franz Rickhei

(Die Geschichte könnte erinnern an:
„Der Wolf und die sieben Geislein“
von den Gebrüdern Grimm.)

Die Situation vor Ort

Es war einmal ein sehr kleines Altenheim am Waldesrand. Der Wald trennte dieses Altenheim von dem Dorf zu dem es eigentlich gehörte. Dort lebten nur sieben sehr alte Menschen, die auch als Greise bezeichnet werden können.

Diese „Greise“ wurden in jeder Schicht nur von einer Mitarbeiterin versorgt, die alle Arbeitsbereiche abdecken musste. Auch hier machte sich der Pflegenotstand bemerkbar.  Zum Glück gab es aber einige ehrenamtliche Dorfbewohner, die sich mit den Greisen beschäftigten und die jeweilige Mitarbeiterin dadurch entlastete. Am besagten Tag war die Altenpflegerin Gabi im Dienst.

Die Ehrenamtlichen waren aber wegen des jährlichen Schützenfests an diesem Tag nicht gekommen. So war die Altenpflegerin Gabi, wie so oft, alleine. An diesem Morgen sollte eigentlich durch die Dorfapotheke die Medikamentenlieferung erfolgen. Leider waren auch die Angestellten der örtlichen Apotheke, wie alle Dorfbewohner, beim Schützenfest.

So musste die Altenpflegerin Gabi auch noch zum Dorfapotheker gehen, um die Medikamente abzuholen. Leider musste sie damit die Greis für einige Zeit alleine lassen. Sie teilte es den sieben mit und ermahnte die alten Menschen, während ihrer Abwesenheit, niemand ins Haus zu lassen.

Planung und Ausführung

In der Umgebung des Dorfes hielt sich Rolf auf, bei dem es sich um einen zwielichtigen Kleinkrimminellen handelte. Er hatte auch keine Skrupel, den schwächsten der Gesellschaft Böses zu tun. Nun hörte er von der günstigen Lage des Altenheimes welches ja einsam am Waldesrand lag. Es kam ihm gleich der Gedanke, dass es sich lohnen würde, dort unter Vorwand einzudringen, um sich an den Besitztümern der alten Menschen zu bereichern. So beobachtete Rolf einige Tage das Altenheim.

Am besagten Tag sah er mit dem Fernglas, dass die Altenpflegerin Gabi mit Rezepten in der Hand das Heim verließ. Nun hörte er, wie sie noch in den Flur rief: „LASSEN SIE NIEMANDEN FREMDEN INS HAUS, BIS ICH VON DER APOTHEKE ZURÜCK BIN“. Sie musste laut rufen, weil einige der sieben Greise stark schwerhörig waren.

Nun sah Rolf die Gelegenheit gekommen, sein Vorhaben durchzuführen.

Als Gabi im Wald außer Sichtweite war, ging Rolf zur Tür, klingelte und wartete, dass die Tür geöffnet wurde. Er wollte nun, wenn nötig mit Gewalt, ins Altenheim eindringen. Aber die dortigen Bewohner waren zwar alt,  aber nicht dumm. Besonders waren sie nach Gabis Warnung vorsichtig. Sie öffneten nicht sofort die Tür. Oma Frieda rief :”Wer ist da?” Rolf versuchte seine Stimme zu verstellen und antwortete: ”Ich bin`s, ihre Altenpflegerin“. Oma Frieda erwiderte: ”Sie haben aber eine zu tiefe Stimme“. Rolf antwortete darauf: ”Ich habe mich im kalten Wald erkältet“. Opa Wilhelm meinte nur: ”Die jungen Leute sind aber auch nicht abgehärtet. Den Winter 46/47 hätten die nicht so wie wir überlebt”. Oma Gisela rief von hinten: ”Zeigen Sie uns erst einmal den Ärmel ihrer Arbeitskleidung“.

Rolf kam nun in Bedrängnis, da er noch das blaue Hemd vom letzten Strafvollzug an hatte. Es war so schön robust geschneidert und passte farblich recht gut zu seiner Jeans. Er sagte nun: „Ich komme gleich wieder, da ich etwas in der Apotheke vergessen habe“. So erhoffte er sich noch einen Zeitgewinn. Dann schaute er sich in der Nähe des Waldes um. Nun sah er, dass der Arbeitswagen eines Malerbetriebes am Waldrand stand. Die Maler waren im tiefen Schlaf versunken. Sie hatten nämlich ihrem Freund, dem Dorfwirt, beim Aufbau des Bierzeltes geholfen. Es war auf dem Festplatz des Schützenfestes aufgestellt. Dabei ist wohl die Zapfhahn Probe etwas außer Kontrolle geraten.

Unbemerkt konnte sich nun Rolf zum Auto schleichen um eine weiße Malerjacke aus dem Fahrzeug zu  entwenden. Ganz weiß war sie ja nicht mehr, da sie mit Farbklecksen verschmutzt war.

Das Schicksal nimmt seinen Lauf

Nun versuchte es Rolf zum zweiten Male, in das Altenheim zu gelangen. „Ich bin es wieder, ihre Altenpflegerin“., sagte er mit verstellter Stimme nach dem Klingeln. Er hielt auch den Ärmel der Malerjacke vor das Fenster, um sich das Vertrauen der hier wohnhaften Greise zu erschleichen. Eine tragische Folge ergab das schlechte Sehen von Opa Wilhelm. Er sah die Farbkleckse auf der Malerjacke nicht und hielt den Ärmel wirklich für die Bekleidung der Altenpflegerin. Im Vertrauen, dass Gabi vor der Tür stand, öffnete Opa Wilhelm die Tür. Die Sehschwäche hatte fatale Folgen.

Zuspitzung der Lage mit fatalen Folgen

Rolf drückte gleich die Tür auf, so dass Opa Wilhelm keine Chance hatte sie wieder zu schließen. Da merkte er, dass es nicht ihre Altenpflegerin Gabi war. Nun war es zu spät. Opa Wilhelm und die anderen fünf Greise, die sich noch in Erwartung auf Gabi im Flurbereich aufhielten, waren vor Schreck so desorientiert, dass Rolf es schaffte, sie in den Heizungsraum zu drängen, der nahe am Eingang war. Er schloss gleich die Tür zu und sperrte damit die sechs Greise ein. Zum Glück hatte der ehrenamtliche Hausmeister schon vor Wochen die Heizung am Hauptschalter neben der Raumtür abgeschaltet. So hatte der Heizungsraum eine angenehme Temperatur.

Oma Gertrud war wie immer spät dran. Das war bei Gemeinschaftsveranstaltungen immer ärgerlich. Dieses Mal war es aber ihr Glück. So war sie gar nicht in der Nähe der Haustür als das Unglück seinen Lauf nahm. Als sie das Eindringen von Rolf beobachtete, flüchtete sie mit ihrem Rollator in die Besenkammer. Sie ließ aber aus Neugierde einen Spalt der Tür offen und konnte Folgendes beobachtete:

Rolf schaute erst einmal in alle Zimmer des Hauses. Als er das Zimmer von Opa Anton betrat, fand er noch einige Flaschen mit alkoholischen Getränken, die Opa Anton zum 100. Geburtstag bekommen hatte. Diese Chance ließ er sich natürlich nicht entgehen. Rolf setzte sich in den Lehnsessel von Opa Anton und leerte eine Flasche nach der anderen. Der viele Alkohol zeigte natürlich seine Wirkung, so dass Rolf in einen tiefen Schlaf fiel.

Nun traute sich Oma Gertrud mit ihrem Rollator aus der Besenkammer. Sie schlich zum Zimmer von Opa Anton. Das Schleichen machte aber kaum einen Unterschied zu ihrer normalen Geschwindigkeit. Nun sah sie Rolf tief schlafend im Lehnsessel sitzen.

Es naht die Rettung

Oma Gertrud schlich bzw. ging nun weiter zur der noch offenen Haustür, um nach Gabi Ausschau zu halten. Sie sah Gabi mit einigen Taschen bepackt. Diese waren mit den Medikamente und Pflegehilfsmitteln gefüllt, die sie für die sieben Greise aus der Apotheke geholt hatte. Sie trat gerade aus dem Wald heraus.

Als Gabi die offene Haustür sah, dachte sie gleich dass etwas passiert sein musste. Oma Gertrud rief so laut sie konnte: “Gabi kommen sie schnell, wir sind überfallen worden“. Oma Gertrud war noch ganz erregt und erzähle unter Zittern die Vorkommnissen. Auch berichtete sie, dass der Bösewicht noch im Hause war, sich aber im betrunkenen Tiefschlaf befand. Aufgeregt erzählte sie weiter vom Heizungsraum, in dem noch die anderen sechs Bewohner eingesperrt waren.

Gemeinsam gingen sie zum Heizungsraum und befreiten die sechs Greise. Mit erleichterten Gesichter erkannten sie ihre Altenpflegerin Gabi. Nun waren sie endlich befreit. Als Oma Gertrud ihnen berichtete, dass der Bösewicht betrunken und schlafend im Hause war, wurde der Ärger noch größer. Als Oma Gertrud dem Opa Anton erzähle, dass sich der Bösewicht auch noch mit seinen Geburtstagsgeschenken betrunken hatte und nun in seinem schönen Lehnsessel lag, forderte Opa Anton gleich eine Bestrafung.

Ein gutes Ende – fast für alle

Gabi war besonnener und meinte: „Die Bestrafung überlassen wir der Polizei und der Justiz. Aber wir wollen ihn solange einsperre, so wie er sie alle eingesperrt hat“. Die Altenpflegerin Gabi setzte nun den betrunkenen Rolf fachgerecht und rückenschonend in einen Rollstuhl. Sie brachte Rolf nun in Begleitung der sieben Greise in den Heizungsraum. Dabei drückten die Sieben mit ausdrucksstarken Handbewegungen ihre Wut und ihren Ärger aus.

Opa Wilhelm, der sein ganzes Berufsleben Heizungsbauer war, schlug mit seiner Gehhilfe beim Verlassen des Heizungsraumes auf den Hauptschalter, so dass der Brenner gleich ansprang. „Wir wollen dem Kerl gleich einmal ein bisschen einheizen“, sagte Opa Wilhelm beim Verlassen des Raumes. „Ich rufe die Polizei an“, sagte Gabi.

Es dauerte eine Zeit, bis die Polizei eintraf. Das Schützenfest im Dorf hatte bis jetzt ihren ganzen Einsatz gefordert. „Lassen sie sich ruhig Zeit“ sagte Opa Wilhelm. „Der Verbrecher ist eingeschlossen. Sie können ganz in Ruhe unsere Aussagen aufnehmen“. Dabei grinste Opa Wilhelm, weil er an den sich immer weiter erwärmenden Heizungsraum dachte, in dem Rolf eingesperrt war. Die Beamte nahmen alle Aussagen der sieben Greise auf.

Nun gingen die Polizisten unter Begleitung aller zum Heizungsraum. Als die Tür aufging, kam ihnen sehr warme Luft entgegen. Der schweißgebadete Gefangene schrie: ICH WILL HIER RAUS – ICH MUSS WAS TRINKEN – SCHNELL“. „Das geschieht dir recht“. sagte Opa Wilhelm. Der eine Polizist sagte mit einem Grinsen zu Rolf: „Sie bekommen jetzt ein Abführmittel“. Darauf legte er ihm die Handschellen an. Nun wurde er von der Polizei zum Auto gebracht. Wieviel Wasser er auf dem Revier getrunken hat, ist nicht bekannt geworden.

Oma Gertrud fiel ein, dass ja noch eine Flasche Traubensaft, die sie von ihrem Urenkel bekommen hatte, auf ihrem Zimmer stand. Die Altenpflegerin Gabi musste sofort die Flasche und acht Gläser holen. So stießen alle mit einem Glas auf ihre Befreiung an.

Solche Geschichten enden ja immer mit: Und wenn sie nicht gestorben sind….

Die Ereignisse sind schon lange her. Im Heim leben andere Greise, Gabi ist Rentnerin und Rolf lebt in der Justizvollzugsanstalt Singen für Straftäter im Senioren-Alter.

ENDE

 

online am 23. November 2022

Die Klorolle

Seit Tagen versuche ich diesem unterirdischen Labyrinth zu entkommen. Ich, ein kleiner
grüner Schlumpf mit dem wunderschönen Namen Rainer III., bin vor einer Woche
in eine Regentonne gefallen. Seitdem irre ich durch ein unterirdisches Labyrinth. Ich
hätte nie gedacht, dass die Spezies Mensch ein so umfangreiches Kanalsystem unter
der Erde gebaut hat.
Glücklicherweise habe ich in meiner Kindheit schwimmen gelernt, das kommt mir in
dieser unterirdischen Kloake zu nutzen. Immer wenn der Wasserstand zu hoch ist, bewege
ich mich schwimmend voran. Gegen den Gestank habe ich mir den Rollkragen
meines Pullovers vor die Nase geschoben.
Zweimal hatte ich Hoffnung einen Ausgang gefunden zu haben, aber beide Male versperrte
ein Gitter den Ausgang.
Jetzt sehe ich wieder ein kleines Licht. Ich schwimme, laufe ihm entgegen. Es wird
langsam größer. Es folgt ein Knick im Rohr, dann ein kleiner Aufstieg. Ich schaffe es.
Das Wasser ist ganz klar. Eine Porzellanschüssel umgibt mich. Ich klettere heraus.
„Ein Klo, ein Klo – oh wie schön.“
Ich betätige die Klospülung und spüle die stinkende Kloake von mir ab.
Ich setzte mich auf den Klorand und sehe eine Rolle Toilettenpaper. Meine Rettung,
Gesicht und Hände kann ich damit trocknen. Das Trocknen meiner Kleidung übernimmt
ein Fön.
Gott sei Dank, ich, Rainer III., bin wieder in der Welt des Lichts angekommen.

Maria Eifrig, Februar 2018

 

 

online am 11. Oktober 2022

Wie geht es Euch?

Mir geht es gut.
Nach drei Jahren Ausschluß von der Öffentlichkeit durch die Pandemie kommen alle langsam wieder real zusammen.
Wir haben die Zeit mit Videokonferenzen und Webinaren recht gut überbrückt. Zum Glück erkrankte keiner von uns an Corona.
Positiv sei erwähnt, dass Meetings im Internet auch in Corona freien Zeiten sinnvoll sind.  Man spart die Fahrzeit. Ich bin ca. 45 Minuten unterwegs um an einem Termin in der Beratungsstelle teilzunehmen. Das Gleiche gilt für den Rückweg – 90 Minuten in denen man viel unternehmen kann. Leider fehlt der persönliche Kontakt, das herzliche Umarmen bei der Begrüßung, der Smalltalk untereinander.

Die Teilnahme an Web-Seminaren ist durchaus sinnvoll. Sie bietet eine gute Möglichkeit zur Informationsbeschaffung oder für Lehrgänge. Beides wurde früher von uns nie genutzt. Durch die Pandemie haben wir es kennen gelernt. Wir werden dies auch weiterhin nutzen.

Langsam kommt Bewegung in unser Leben. Seit einigen Monaten arbeite ich wieder ehrenamtlich in der Beratungsstelle der Deutschen Multiples Sklerose Gesellschaft Münster. Die Bus Linie 6 bringt mich Montags dort hin.

Veranstaltungen wie Kontaktkreise, Feldenkrais, Wii-Spielegrupe, Video Nachmittage oder oder finden sukzessive wieder statt. Gerne könnt Ihr Euch in der MS Beratungsstelle oder auf unserer Homepage (www.ms-muenster.de) informieren.

Insgesamt stellen wir fest, dass die Leute nur langsam aus ihren Höhlen hervorkrieschen. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis alle wieder mit Freude zu Kontakten bereit sind, da die Pandemie immer noch unter uns ist. Vielleicht verschwindet sie nicht mehr. Bleibt uns erhalten wie die Grippe.
Wir benötigen in Zukunft nicht nur Kraft um die MS zu beherrschen, sondern Mut und einen Kobold, der uns zeigen wird, wie wir dem Corona Virus trotzen können.
Als MS Betroffener sind wir eine Menge gewöhnt. Frau Merkel sagte eins „Wir schaffen das.“

Schaffen wir das?

Maria Eifrig, September 2022

 

 

online am 07. September 2022

Dis Bus Linie 6

Welcher Rollifahrer fährt gerne Bus? Ich. Früher bin ich häufig mit dem Fahrdienst vom ASB gefahren. Ständig habe ich mich geärgert. Sie kamen zu spät, zu früh, manchmal überhaupt nicht. Immer, wenn ich zu Treffen in der DMSG Beratungsstelle war, musste ich pünktlich weg. Alle anderen konnten in Ruhe zu Ende diskutieren. Natürlich verpasste ich einiges. Ich habe sehr darunter gelitten. Endlich traute ich mich alleine mit dem Bus zu fahren. Die Linie 6 bringt mich in die Nähe der MS Beratungsstelle – Entfernung ca. 1 Minute. Zu Hause ist es weiter – ca. 5 Minuten. Da kann ich gut mit leben.
An meinen Veranstaltungen kann ich bis zum Ende teilnehmen. Keine häufigen Blicke auf die Uhr, weil der Fahrdienst gleich kommt. Ich bin sehr zu frieden. Danke Linie 6.
Die Freifahrten der Stadt wurden gestrichen. Wie gut das ich gelernt habe Bus zu fahren. Der Nachteil ist, das späte Fahrten mit dem Nachtbus erfolgen. Alleine habe ich das noch nie gemacht. Ich fahre dann lieber Taxi. Taxi Waldmann kenne ich von meinen Arztbesuchen. Sie haben Taxis mit Rampe. Leider ist das nicht ganz billig. Da das nicht häufig vorkommt, gönne ich mir das ab und zu.
Durch Corona ist das Meiste ausgefallen bzw. wir haben Vieles per Video-Konferenz gemacht.
In diesem Jahr fangen wir MS Betroffenen wieder an zu leben. MS-Sonntags-Café und MS-Sommerfest fanden bereits statt. Das Beste: Ich fahre montags wieder in die Beratungsstelle arbeiten – natürlich mit meiner geliebten Linie 6.
Früher hatte ich Probleme mit busfahren – klappt mir jemand die Rampe raus, ist der Rolliplatz frei oder ist er mit Kinderwagen und Rollatoren zu gestellt – komme ich wieder raus. Mittlerweile bin ich ein alter Hase, was Rollstuhl und Bus angeht. Mein Mann wird nervös, wenn der Bus voll ist. Ich bin immer entspannt. Noch heute hat mich meine geliebte Linie 6 zur MS Beratungsstelle gebracht.

Busfahren bedeutet für mich ein Stück zurück gewonne Freiheit. Jeder sollte seinen gesamten Mut zusammennehmen und sich trauen. Mir ist das geglückt. Am Anfang bin ich vor Aufregung ganz schön ins Schwitzen gekommen. Mit jeder Fahrt wurde es einfacher. Wichtig ist nett und freundlich zu sein. Ich bedanke mich fürs Rampe rausklappen oder wenn Leute im Bus Platz machen. Die Leute sind nett und freundlich und helfen gern. Denkt dran, unser Verhalten repräsentiert nicht nur uns, sondern alle Rollstuhlfahrer. Sie fallen durch ihr seltenes Erscheinungsbild besonders auf. Außerdem kommt man viel einfacher, besser durchs Leben, wenn man zu sich und anderen nett und freundlich ist. Schon probiert?

Maria Eifrig, August 2022

 

online am 28. Juli 2022

Mein Buch – mein Name

Beim Rolli-Fahren durch die Stadtbücherei entdecke ich ein kleines orange farbiges Buch, vielleicht 5 mm dick.
Maria Magdalena, Hebbel und Durchblick, diese Worte stehen auf der 5 mm breiten Rückwand.

Warum dieses Buch?
Ganz einfach – meine beiden Vornamen stehen auf dem Buch – auf der Titelseite sogar in Großschrift, weiß auf blauem Hintergrund.
Darunter in kleinerer Schrift – Friedrich Hebbel. Na, der traut sich was. Ohne mich zu kennen, ein Buch über mich zu schreiben. Es wird immer besser – eine Lektüre mit Durchblick, die Hintergrundinformationen bietet.

Soweit ich weiß, ist Friedrich Hebbel bereits tot. Was für eine Frechheit über mich zu schreiben, obwohl er bereits tot war, als ich geboren wurde. Das kann nur eine Verwechselung sein. Ich traue mich nicht das Buch zu öffnen. Gibt es außer mir noch eine Maria Magdalene? Ich kenne Maria Magdalena, eine Begleiterin, Dienerin von Jesus.

Plötzlich fällt es mir auf, Hebbel meint gar nicht mich, denn das Buch heißt „Maria Magdalena“.

Bis 1989 glaubte ich, dass mein 2-ter Vorname mit „a“ endet. 1989 benötigte ich zum Heiraten eine Geburtsurkunde. Seitdem weiß ich, dass mein 2-ter Vorname mit „e“ endet.

In Wahrheit heiße ich Maria Magdalene, auch wenn die Behörden und ich bis zu meinem 33 Lebensjahr meinten, ich heiße Maria Magdalena.

Schade!
Nicht mein Buch – nicht mein Name!

Maria Eifrig, Juli 2018

 

Nachtrag:
Meine Recherche ergab Folgendes:

Maria Magdalena ist eine Tragödie in drei Akten von Friedrich Hebbel. Das Drama entstand 1843 und gilt als das letzte deutsche bürgerliche Trauerspiel. Die Gattung wird in der Folge abgelöst durch das soziale Drama, in dem der vierte Stand zum Träger des Konfliktes wird.

Der Titel, der auf die Bibelgestalt Maria Magdalena verweist, kam auf Wunsch des Verlegers zustande, um so größeres Interesse bei den Lesern zu wecken. Hebbel hatte das Werk ursprünglich nach einer der Hauptfiguren „Klara“ nennen wollen. Auf Grund eines Setzfehlers lautete der Titel auf dem Umschlag der Erstausgabe schließlich „Maria Magdalene“. Noch heute wird das Stück gelegentlich unter diesem Namen zitiert, auch der Autor selbst verwendete manchmal den Titel in dieser Form. 1)

Jetzt wissen es alle: Ich bin ein Setzfehler. Welche Schmach für mich, ein menschliches Wesen, aus Fleisch und Blut, ohne richtigen Namen, entstanden durch einen menschlichen Fehler.
Vermutlich ist der Eintrag in meiner Geburtsurkunde ebenfalls ein Druckfehler und ich habe viele Jahre unter falschen Namen gelebt.

Maria Eifrig, Februar 2019

1) Seite „Maria Magdalena (Hebbel)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 17. Dezember 2018, 13:48 UTC.
URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Maria_Magdalena_(Hebbel)&oldid=183785232 (Abgerufen: 22. Februar 2019, 14:13

 

 


online am 11. Mai 2022

Einmal im Leben

Es war ein großer Fehler sich in die Gesellschaft eines „vom Winde verweht“ Balles hinein zu schleusen.

Es fing mit einer Theaterführung an. Wir besuchten das Backstage und die Bereiche, wo normale Theaterbesucher keinen Zutritt haben.
Wir standen auf der Bühne und versuchten uns als Schauspieler oder Sänger, entdeckten den Souffleurplatz, nahmen eine Garderobe unter die Lupe und bestaunten den Orchestergraben. Die Beleuchtungstechnik wurde uns erklärt. Voller Stolz wurden uns diverse Scheinwerfereinstellungen präsentiert und zum Schluss besuchten wir den Kostümraum – welch eine Pracht. Es funkelte und glitzerte, erschreckte und erstaunte uns.
„Oh, welch eine Pracht!“
Dann sah ich es, ein Ballkleid, wie es die junge, schöne Scarlett O‘Hara, Tochter eines reichen Plantagenbesitzers, im Film „Vom Winde verweht“ getragen hat.
Meine Augen leuchten bei dem Gedanken, einmal im Leben so ein Kleid zu tragen und darin über die Tanzfläche zu schweben.
Wie war das noch? Ein Wunsch geht in Erfüllung, wenn man die Augen schließt und sich nur auf diesen Wunsch konzentriert. Es gelingt. Ich öffne die Augen, trage das Ballkleid und schwebe mit meinem Partner über die Tanzfläche. Was für ein Traum!

Warum habe ich mir das gewünscht?
Es war grauenhaft. Das Kleid war schwer und umfangreich. Bei jedem Schritt bin ich irgendwo gegen gestoßen. Ich passte durch keine Tür.
Wie komme ich aus dem Kleid wieder raus?
Stecke ich den Rest meines Lebens hier fest?
Retter*in, bitte finde mich!

Maria Eifrig, März 2019

1) Seite „Maria Magdalena (Hebbel)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 17. Dezember 2018, 13:48 UTC.
URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Maria_Magdalena_(Hebbel)&oldid=183785232 (Abgerufen: 22. Februar 2019, 14:13 UTC)

 

 


online am 05. März 2022

Meine Katzen

ER
Brav, immer lieb,
verfressen
hat immer Hunger
jagt Mäuse und frist sie
groß, riesig
Nachttier

SIE
Diva, die Schönste
Zicke
Jagt Mäuse und schenkt sie mir
Klein und zierlich
Tagtier

ER und SIE
Vor sieben Jahren sind sie bei uns eingezogen.
Er schwarz wie die Nacht. Sie schwarz mit weißen Flecken und weißen Pfoten.
Das Tierheim beschrieb ihn als einen immer nur lieben Kater,
sie, eine, die weiß, dass sie schön ist und manchmal zickisch.
Das stimmt!
Er wurde ein riesen Kater, sie blieb klein und zierlich, wie beim Kauf.
Er hat immer Hunger und haut richtig rein.
Sie futtert genüsslich in Ruhe, fängt Mäuse, präsentiert sie mir voller Stolz.
Er fängt Mäuse und frisst sie.
Er ein großer, kräftiger Kater, nicht dick aber riesig.
Sie klein und zierlich, eine Schönheit, sie weiß das, die Diva.
Er bleibt nächtelang weg, sie schläft lieber bei mir im Bett.
Sie ist mein Tier, er geht lieber zu meinem Mann.

Wir sind zwei Teams.
Sie und sie, Frau und Katze.
Er und er, Mann und Kater.

Maria Eifrig, November 2017

 


online am 27. Januar 2022

Nackt und allein

Ein Mensch, nackt, allein auf der Straße. Kein Licht in den Häusern. Er traute sich nicht
zu klingeln.
Er war nackt. Würde jemand öffnen? Einem Mann nackt, allein in den Straßen. Er
wusste nicht mehr, was er hier wollte, nackt und allein.
Er ging immer weiter und weiter. Die Straße wurde immer leerer, kein Haus weit und
breit. Plötzlich sah er ein kleines rotes Licht unter einem Baum. Er rannte los und erreichte
das rote Licht unter dem Baum. Eine alte Frau hütete das Licht.
„Gute Frau, könnt Ihr mir helfen?“
„Nackter Mann, wobei soll ich Dir helfen?“
„Ich bin auf der Suche nach der Wahrheit.“
„Welche Wahrheit meinst Du?“
„Ich weiß nicht, warum ich nackt und allein durch die Nacht laufe?“
„Aber das ist doch ganz einfach! Wach einfach auf!

Maria Eifrig, Mai 2018

 


online am 19. Januar 2022

Modegeschäft

Heute habe ich unserer Küchenhilfe Margarete frei gegeben, denn ich will etwas Schönes sehen. Ich bin froh unserer öden Bauernlandschaft entfliehen zu können und habe mich von unserem Kutscher Wilhelm in die Stadt fahren lassen. Jetzt bin ich unter den Bögen und stehe vor einem Schaufenster.
“Was für prachtvolle Kleider, Röcke und Hüte. Da!, dieser blaue Rock würde doch hervorragend zu meinem blauen Schirm passen. Ob Karl ihn mir wohl kauft? Das Geld dafür hätte er. Schließlich habe ich keinen armen Gutshofbesitzer geheiratet, für sein Gehöft und alles was damit zusammenhängt, gibt er viel aus. In Gedanken höre ich ihn schon sagen: „Du hast doch genug zum Anziehen, Gertrud. Sei froh, dass wir nicht arm sind und uns einiges leisten können“. Von wegen „leisten“, nicht eine Mark wird er herausrücken, der alte Knauserkopp. Ach, ich hätte so gerne den blauen Rock! Ich würde ihn dann zum nächsten Damenkränzchen bei Martha anziehen. Alle würden mich beneiden, weil er so elegant aussieht.
Ob der Herr neben mir wohl großzügiger ist? Bestimmt kauft er seiner Gattin etwas Schönes. Er schaut so interessiert zu den Auslagen.
Ich werde Karl trotzdem fragen und solange betteln und heulen, bis er nachgibt. Dann muss mich Wilhelm eben wieder hierherfahren.
Gerade geht hinter mir eine Frau her, bleibt stehen und betrachtet die Hüte im anderen Schaufenster. Einen Hut brauche ich nicht, davon habe ich genügend.
Ich flaniere gleich weiter, es kommen ja noch einige Geschäfte und Cafes. Bis Wilhelm mich wieder abholt, habe ich ausreichend Zeit.
Es sieht hier in der Stadt mit den Geschäften so edel und schön aus. Wenn dies doch fotografiert oder gemalt werden könnte!“
Gertrud ahnt nicht, dass sich hinter einer großen Säule verborgen ein junger Mann befindet, der diese Szene mit einigen Strichen skizziert und später in seinem ihm eigenen Stil mit leuchtenden Farben malen wird.

Christa Borowski-Schmitt, Dezember 2021